Bereits seit dem Sommer 2005 besteht die Vorklasse an der Freien Waldorfschule Frankfurt am Main und viele junge Menschen, die bereits an der Schule ihr Abitur abgelegt haben oder noch zur Schule gehen, haben lebendige Erinnerungen an das Lernumfeld in der Vorklasse und können viel berichten.
Die Vorklasse bildet eine Brücke zwischen dem Kindergarten und der Schule. Die pädagogische Arbeit in der Vorklasse schafft eine besondere Verbindung zwischen dem Entwicklungsraum Kindergarten und dem schulischen Lernen in der ersten Klasse und berücksichtigt dabei ein eigenes Konzept. Hier haben rund 20 Kinder die Möglichkeit, sich ein stabiles Fundament zu erwerben. Durch die Ausbildung der vier unteren Sinne entwickeln sich im Kind die körperlichen und seelischen Grunddispositionen, die nötig sind, damit sich die Individualität des Kindes durch den Erwerb weiterer Fähigkeiten entfalten kann. Dieses Fundament bildet die Voraussetzung für das spätere schulische Lernen.
Ob ein Kind Wahrnehmungen mit allen Sinnen und in der nötigen Vielfalt hat oder nicht, davon hängt viel für sein Leben ab. Was wir von der Welt wissen, wissen wir durch diese Sinneseindrücke. Wahrnehmung ist der Zugang zu verschiedenen Erfahrungsfeldern, durch unsere Sinne haben wir die Möglichkeit, uns diese Erfahrungsfelder nutzbar machen zu können.
Das Vorklassenjahr bietet ein sinnvolles und sinnerfülltes Lernumfeld, in dem die Kinder die Möglichkeit haben, nötige Basiskompetenzen, zu denen auch die schulischen Vorläuferfertigkeiten gehören, zu entwickeln.
Für jedes Kind gestaltet sich abhängig von seiner Ausgangslage das Vorklassenjahr auf ganz individuelle Weise. Aus dem breiten Angebot der Lernumgebung Vorklasse sucht sich jedes Kind in dieser altershomogenen, aber heterogenen sozialen Gemeinschaft seine primären Herausforderungen durch die Begegnung mit den anderen Kindern, den Lehrerinnen und den Lerngegenständen.
Der Tagesablauf ist klar strukturiert. Anders als im Kindergarten werden den Kindern Aufgaben vorgegeben und gemeinsam ausgeführt. Das konzentrierte Arbeiten an einer Sache rückt im Laufe des Schuljahres immer mehr in den Vordergrund. Die Kinder sind sich in ihrem Tun gegenseitig Vorbild und nehmen mit Freude die unterschiedlichen Herausforderungen an. Ausflüge in den Taunus und in die Umgebung von Frankfurt gehören ebenso zum Alltag und bestimmen das Lernumfeld mit.
Jeden Morgen beginnt der Schultag in der Vorklasse mit dem Morgenkreis. Vom Vortag gibt es viel zu berichten, zu erzählen, zu zeigen (ein abgenagter Tannenzapfen, ein vom Sturm auf die Erde gefegtes Vogelnest, Herbstlaub, Früchte, Erlebnisse mit dem Igel, dem Eichhörnchen, dem Specht…). Nach dieser kleinen Gesprächsrunde geht es an die Arbeit: Singen, Sprechen, Musizieren, Hüpfen, Klettern, Klatschen, Zählen, bis die Hände warm und die Bäckchen rot sind. Jeder Tag der Woche hat seinen Schwerpunkt: handwerklich-künstlerische Arbeiten wie Schnitzen und mit Wasserfarben malen, sowie Eurythmie und Spielturnen im Freien oder im Klassenraum, gehören dazu. Die Objekte und Inhalte werden auf die Jahreszeiten abgestimmt.
In der wohlverdienten Pause wird gemeinsam gefrühstückt. In der warmen Jahreszeit findet das Frühstück draußen in einer der nahegelegenen Grünzonen statt. Nach den Herbstferien bereiten die Kinder vor dem Morgenkreis das Frühstück selber vor. Spätestens um 11 Uhr geht es dann bei Wind und Wetter nach draußen. Gummistiefel und Regenjacken stehen immer bereit. In allen Himmelsrichtungen ist die Schule von Grün umgeben, da gibt es viel zu entdecken. Es wird tüchtig maschiert, aber auch gespielt, beobachtet, gesammelt und geerntet.
Der Schulvormittag endet um 12.40 Uhr im Klassenraum. Eine Geschichte beendet das erste vorschulische Tun.